Arbeitswelt mit Corona

Wir sind zwei Notschlafstellenbetreuer_innen die in einem Notquartier in Wien arbeiten. Die Einrichtung, in der wir arbeiten ist Teil des sogenannten Winterpakets des Fonds Soziales Wien. Das Winterpaket soll Menschen, die keinen Zugang zum österreichischen Sozialsystem haben einen Schlafplatz in der Nacht und eine Jause bieten. Das heißt es schlafen viele Menschen auf engem Raum in einem abgefuckten Haus mit minimaler Verpflegung und Hygiene und ohne Privatsphäre. Also eine Wohlfühloase für Viren und Bakterien.

Diese machen auch nicht vor uns Betreuer_innen halt. Uns ist es nicht möglich den Sicherheitsabstand von einem Meter einzuhalten, weder zu Klient_innen noch zu Kolleg_innen. Des Weiteren sind Desinfektionsmittel und Atemschutzmasken, wie überall anders auch, Mangelware. Aber sogar jetzt, sagt die Bereichsleitung es ist nicht möglich uns einfache Dienstkleidung, die wir seit Langem fordern, zur Verfügung zu stellen, während in anderen Bereichen der selben Organisation im gesamten Dienst OP-Maskenpflicht herrscht. Zu Beginn der Pandemie hat sich wieder gezeigt wie planlos und unfähig unsere Bereichsleitung ist. Wir Basisarbeiter_innen waren zum Glück schon vorher vernetzt und haben unsere Arbeitsabläufe verändert, um die Infektionsgefahr zumindest etwas zu verringern. Unsere Hausleitung, die das Haus nicht mehr betreten darf, hat unsere Änderungen akzeptiert und unsere Pläne nach besserem Schutz durch Plexiglas umsetzen lassen. Wohlgemerkt, die vielen Stunden Diskussion und Planung haben in unserer Freizeit stattgefunden. Von der Bereichsleitung haben wir seit Beginn der Krise nichts Brauchbares gehört. Einmal kam ein Dankesmail, welches viele von uns laut und verzweifelt lachen ließ. Auf Unsicherheiten mancher Kolleg_innen wird nicht oder falsch reagiert, teilweise sogar mit Verwarnungen. Die Kommunikation zwischen Bereichsleitung und Basis war schon immer unter aller Sau, das haben wir bis jetzt so hingenommen, aber in dieser Situation darf der Umgang nicht so respektlos sein. Auch die Kommunikation mit der Hausleitung wurde auf unseren Druck hin ausgebaut. So haben wir durchgesetzt, die Teamsitzungen, die erst von der Leitung abgesagt wurden, stattdessen doch online abhalten zu können, da wir der Meinung sind, dass sie gerade jetzt für uns besonders wichtig sind, um den intensiven Informationsfluss in beide Richtungen aufrecht zu erhalten. Was uns bis jetzt niemand sagen kann oder will ist, was passiert, wenn im Haus die ersten Covid-19 Fälle auftreten.

Die Stadt Wien hat das Winterpaket zwar mittlerweile um 3 Monate verlängert und 24-Stunden-Betreuung in den Notschlafstellen angeordnet, aber wir halten diese Maßnahmen für ungenügend. Seit langem schon fordern Basismitarbeiter_innen aus der Wohnungslosenhilfe ganzjährige und ganztägige Betreuung, diese kann aber nur in Verbindung mit kleineren Wohneinheiten und besserer Verpflegung das Mindestmaß einer menschenwürdigen Unterbringung erfüllen. Die jetzt durchgeführten Maßnahmen verhindern nur, dass obdachlose Menschen vom Rest der Gesellschaft abgesondert werden, um niemanden zu infizieren. Das Infektionsrisiko innerhalb der Einrichtungen ist aber extrem hoch. Sowohl für Kliennt_innen als auch Kolleg_innen. Dazu kommt, dass die meisten unserer Klient_innen alt sind und/oder an Vorerkrankungen leiden. Daher sehen wir die sofortige Öffnung von Hotels für Wohnungslose Menschen als einzige jetzt noch mögliche Chance, die Leben dieser Menschen zu retten. Covid-19 darf nicht die am stärksten treffen, die am wenigsten haben.