Statement zu den KV-Abschluss SWÖ

Hinter unserem Rücken kam es wie befürchtet zu einem Abschluss des Kollektivertrags der SWÖ (Sozialwirtschaft Österreich), der viele von uns direkt betrifft.

Auch diejenigen von uns, die andere Kollektivverträge haben (z.B. Caritas und Rotes Kreuz), sind indirekt betroffen – hat der SWÖ doch Signalwirkung für die weiteren Kollektivverträge im Sozialbereich.

Die Verhandlungen standen zu Beginn noch unter Druck der Basis klar auf eine 35 Stunden Woche ausgerichtet. Eine für Österreich lange nicht für möglich gehaltene Forderung, der auch mit der entsprechenden Streikbereitschaft Nachdruck verliehen wurde. Warum dann ausgerechnet in Zeiten der Ausgangssperre weiterverhandelt wurde, in der es keine Möglichkeiten für Aktionen gibt, in der das soziale Leben in Österreich so gut wie still steht, ist uns schleierhaft.

Offenbar hat die Gewerkschaftsführung Angst vor ihrer eigenen Basis bekommen und die Gelegenheit des durch die Coronakrise verursachten Stillstands beim Schopf gepackt, um der Basisbewegung in den Rücken zu fallen! Nach all unserem Engagement und Risiko im Arbeitskampf. Während wir direkt Betroffenen des Kollektivvertrags tagtäglich noch stärkeren Belastungen und erhöhtem Infektionsrisiko ausgesetzt sind und entsprechend gut abgelenkt waren. Wir sind wütend.

Der Abschluss passiert in einer Zeit, in der die Gesellschaft den Wert sozialer Arbeit erkennt, in dem uns oft applaudiert wird und wir als “Held*innen der Arbeit” bezeichnet werden. Der Gewerkschaft ist das offensichltich egal, warum würde sie sich sonst weigern, um eine monetäre Anerkennung für uns zu kämpfen? Noch dazu schliesst sie einen Kollektivvertrag für 3(!) Jahre ab. Der Gewerkschaft ist offensichtlich der sozialpartnerschaftliche Frieden, wo sie selbst endlich wieder Gehör findet, wichtiger als die Anliegen für uns Arbeiter*innen. Sie will möglichst schnell zur Normalität zurückkehren. Dabei übersieht sie bewusst, dass eben jene Normalität den medizinischen, pflegerischen und sozialen Notstand hervorgebracht hat, der die Corona-Krise verschärft. Es ist unglaublich, wie weit sich die Gewerkschaftsbürokratie von unserer Arbeitsrealität entfernt hat!

Den Abschluss im Detail und eine Analyse warum das Ganze de facto eine Verschlechterung für uns bedeutet könnt ihr bei “sozial aber nicht blödund beim Betriebsrat von Bildung im Mittelpunkt nachlesen.

Sagt der Gewerkschaft eure Meinung, tretet aus dieser gelben Gewerkschaft aus und gründet kämpferische Basisorganisationen!

In normalen Zeiten hätten wir jetzt Aktionen vor der Gewerkschaftszentrale (und natürlich vor den Büros der Arbeitgeber, des Sozialstadtrats etc.) gestartet. Doch dank der Ausgangssperre ist das nicht möglich. Das heißt aber nicht, dass wir untätig bleiben müssen. In digitaler Form können wir jetzt schon protestieren, Außerdem brauchen wir Diskussionen, Strategien und Allianzen, wie wir trotz der selbstgewollten Schwäche der Gewerkschaft, die uns dennoch (oder gerade deswegen?) vertritt, kämpferisch bleiben können. Sobald die Zeiten es zulassen, wird die Gewerkschaft mit unserer Enttäuschung und unserer Wut konfrontioert werden!  

6 thoughts on “Statement zu den KV-Abschluss SWÖ”

  1. ich find die aufkommende diskussion echt spannend und glaub, wir brauchen viel mehr davon. den die situation ist ja folgende: selbst wenn wir sagen, wir lehnen den abschluss ab, nutzt das nichts. er gilt trotzdem für uns. was in so einer zeit richitg oder falsch ist, lässt sich nicht so einfach sagen, was vor allem langfristig die richtige strategie ist, wissen wir nicht, können wir nicht wissen. eben darum braucht es diskussionen.
    kurzfristig ist es leicher, da braucht es die diskussion gar gewerkschaft ja/nein gar nicht. sobald es wieder möglich ist, muss/wird es aktionen geben, um den dissens sichtbar zu machen. das ändert zwar am verhandlungsergebnis nichts mehr, ist aber dennoch an und für sich schon wichtig. außerdem, wie oben gesagt, sind noch kv-verhandlungen am laufen (rotes kreuz, caritas). hier gilt es, den druck auf die gewerkschaft zu erhöhen, nicht nochmal so einen scheiss zuzustimmen. und drittens geht es darum, zumindest urabstimmungen über kv-verhandlungen durchzuführen.
    langfristig schaut es schon etwas komplizierter aus. die gewerkschaft verfolgt offensichtlich eine burgfrieden-politik. das ist in zeiten des verschärften klassenkampfs von oben (gabs auch schon vor corona, nur jetzt geht es eben mit turbo) fatal. soweit ist es wahrscheinlich den meisten klar. doch was ab hier die beste strategie ist, dafür braucht es viel mehr diskussionen….

    @john für mich persönlich war 2017 eine wendepunkt. die ersten streiks im sozialbereich, gefühlt war da noch mehr engagement un ddruch von der basis da. und dann hat sich die gewerkschaft mit einer mini-lohnerhöhung abspeisen lassen. das angebot lag 0,05% über dem, was ursprünglich abgelehnt wurde….

  2. Ich habe genau den selben naiven Ansatz “kritische Mitgliedschaft” vertreten.

    Ich habe mehrfach Gewerkschaftsfunktionäre zu Treffen mit unseren KollegInnen eingeladen. Die Damen und Herren haben jedes Mal das Gefühl hinterlassen, dass sie sich nur sehr ungern dazu herablassend sich mit einfachen Angestellten zu treffen… Konkrete Antworten oder so gab es kaum, das war jedes Mal eine Selbstbeweihräucherung und einziges Mantra “werdet Mitglieder” – kein Interesse an unseren Anliegen, Forderungen, Wünschen. Jede Kritik wurde abgeschmettert mit Sachzwängen.

    12stunden Tag war der erste massive Dämpfer und jetzt reicht es. Die Damen und Herren lachen uns doch aus, wir zahlen brav unsere Beiträge, haben NULL Mitbestimmung und die kassieren und packeln mit unseren Chefs!

  3. Stefan Taibl: sry, dass war kein einzelfall (ich erinnere an den 12h-Tag), das hat system. angefangen hat es im Sozialstaat, da wurde die Gewerkschaft eine Stütze der Gesellschaft. Sie hat eine dementsprechend starke Bürokratie aufgebaut, dafür aber Schritt für Schritt den Kontakt zur Basis verloren. Das ist aber lange Zeit fast niemand (Ausnahmen sind z.B. Migrant*innen) aufgefallen, immerhin gab es gute Abschlüsse, immerhin ging es uns allen besser. Als aber in den 80er/90er/00er Jahren der Neoliberalismus EInzug hielt, hatte sie plötzlich ein Problem: sie verlor ihre gesellschaftliche Position, hatte aber immer noch ihren überbordenden bürokratischen Funktionärsapparat. Da drinnen zählten Loyalitäten mehr als Demokratie. Sie hatte keine Antworten mehr auf die Herausforderungen der Zeit. Auf die Veränderung der Arbeitswelt, auf den Neoliberalismus gab es nur die alten Träume der eigenen Macht im Sozialstaat als Antwort. All das passierte schleichend, die Gewerkschaft wurde selten herausgefordert, denn die meisten linken sozialen Bewegungen der jüngsten Vergangenheit wussten ebenfalls mit der sozialen Frage wenig anzufangen. Und die meisten, die sich ihr dennoch widmeten, vertraten Ihre Position: kritische Mitgliedschaft, Kritik innerhalb des Apparats, den linken Flügel stärker. Doch heute müssen sich diese kritischen Mitglieder fragen lassen: Was hat es gebracht? Wieviel Kritik kommt überhaupt in diesem undemokratischen Apparat an? Ganz offensichtlich sind die alten Machtträume wichtiger. Wenn die Regierung wiedermal mit ihnen spricht, vergisst sie die Anliegen der Abeiter*innen völlig. Ich befürchte, dass eine Demokratisierung dieses Apparats, so dass eine kritische Mitgliedschaft überhaupt Sinn macht, unmöglich ist.

    Wir stehen uns jetzt vor schwierigen Herausforderungen: Die Gewerkschaftsarbeit inkl. allen Entscheidungen muss an die Basis zurückgeholt werden. Wie das funktionieren kann, vor allen in den harten Zeiten, die aufziehen, ist offen. Da ist es wahrscheinlich sinnvoll, Bündnisse mit den “kritischen Mitgliedern” einzugehen. Aber jetzt beitreten, oder auch nur die Mitgliedschaft verlängern, sicher nicht. Dieser Zug ist abgefahren!

  4. Na ja, wenn ihr als kritische, normal empfindende Arbeitnehmer*innen aus der Gewerkschaft austretet, macht ihr ihnen Freude. Das Gegenteil brauchen wir, wir brauchen kritische Geister in der Gewerkschaft. Sie entscheiden so oder so über uns, wenn die kritischen Geister in der Gewerkschaft sind oder nicht. Und nur wenn wir mehr werden können wir Gewerkschaftspolitik umgestalten. Werdet Mitglied! Tretet bei, das fürchten sie! Euren Austritt begrüßen sie.

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