Gegendemonstration zum Anti-Corona-Aufmarsch 16.01.21

Im Folgenden dokumentieren wir unsere Rede bei der antifaschistischen Gegendemonstration zum Aufmarsch der selbsternannten Corona-Rebellen am 16.01.21. Für weitere Informationen und Hintergründe dieser rechtsextremen bis rechtsoffenen und verschwörungstheoretischen Bewegung könnt ihr auf dem Blog des Journalisten M. Bonvalot hier und hier nachlesen.

 

»Wenn wir in die Arbeit gehen, treffen zwei Welten aufeinander. Die eine Welt der privaten Beschränkungen, der „Stay at Home!“, in der es uns nur aus gewissen Gründen möglich ist, das Haus zu verlassen, in der wir nur schwer andere Menschen treffen können. Abstand halten, Kontakte vermeiden, das ist das Gebot in dieser Welt.

In der Welt, in der wir arbeiten; im Winterpaket, wo nicht anspruchsberechtigte Obdachlose, die zumeist aus Osteuropa kommen, untergebracht sind, gelten diese Regeln nicht: Abstand ist nicht möglich, “Stay at Home” ein schlechter Witz. Es gibt nach wie vor Massenquartiere, in denen bis zu zehn Menschen in einem Raum schlafen müssen, wo Betten in einem Abstand von weniger als einem Meter stehen. Die Schutzmaßnahmen führten zu einem Abbau und einer Verschlechterung: weniger Betten, mehr Zugangshürden, Besuchsverbot, in manchen Einrichtungen haben die Essensausgaben zu, etc. Dazu kommt eine Organisierung, die schlicht und einfach katastrophal zu nennen ist: muttersprachliche Informationen sind selten, die medizinische Versorgung in Quarantäne ist nicht sichergestellt, …. Der Grund für diese skandalösen Zustände ist in der geringen sozialen Stellung der Betroffenen zu suchen. Sie sind so weit unten, dass ihre Gesundheit, ihre körperliche Integrität offenbar nichts wert ist. Davon sind in weiterer Folge auch wir als Basismitarbeiter*innen betroffen.

Wir haben uns in der „Initiative Sommerpaket“ zusammengeschlossen, und  protestieren schon seit Anfang der Pandemie gegen diese Zustände. Wir schlagen Alternativen vor. Doch es ist unendlich mühsam, sich bei den Verantwortlichen Gehör zu verschaffen:  die SPÖ in Person des Sozialstadtrats Peter Hacker, der FSW, und die zuständigen Träger. Ihnen ist es wichtiger die folgende Message an die Betroffenen zu schicken: „Seid doch froh, dass wir euch überhaupt helfen!“ Mit solchen Aussagen wird den Betroffenen gesagt, dass sie selbst schuld an ihrer Lage wären. Die simple Tatsache, dass es ohne Reichtum keine Armut geben würde, dass Obdachlosigkeit als extreme Form der Armut eine gesellschaftliche Frage, ein gesellschaftlicher Skandal ist, wird somit ausgeblendet.

Doch wir stehen hier, um gegen die sogenannten „Querdenker*innen“, gegen die Corona-Leugner*innen oder wie auch immer sie genannt werden, zu demonstrieren. Was haben unsere Arbeitsbedingungen, die Lebenssituation, in der Obdachlose hausen müssen  (wohnen kann mensch das schwer nennen) mit dieser Demo zu tun? 

Nunja, wir sehen hier zwei Berührungspunkte: Zum Einem sehen wir eine große Leerstelle, die soziale Frage wird nicht behandelt. Sie reden von ihrem Recht, das zu machen, oder dies nicht zu machen. Über die Rechte und Probleme Anderer reden sie gar nicht gerne. Und so wird die Tatsache, dass die meisten Armutsbetroffenen noch mehr zu kämpfen haben, während die Reichen nochmal ordentlich abcashen, ausgeblendet. Da das gleiche auch bei der Regierung passiert, finden Armutsbetroffene keine Gehör im Diskurs. Wenn im „Standard“ die soziale Frage behandelt wird, kommt ein Unternehmer, eine Unternehmerin zu Wort, die Angst hat, ihren Drittwohnsitz zu verlieren. Sowohl im offiziellen als auch im scheinbar gegenläufigen Diskurs der Querdenker*innenbewegung ist Armut ein Tabu. Armut ist massiv mit Scham besetzt. Deswegen wird auch bei den Verhältnissen in den Obdachlosenheimen weggeschaut. Deswegen wird ignoriert, dass eine wachsende Anzahl von Menschen durch das soziale Netz fällt und was das für die Gesellschaft bedeutet. Das ist einer der Hauptgründe, warum die Arbeit für uns, warum die Lage für Betroffene so beschissen ist.

Zum anderen sehen wir den Wunsch nach einer Rückkehr in die alte Normalität als einen der zentralen Motive, als Motor für diese Bewegung. Doch diese Normalität war immer schon von Rassismus, Klassismus und kapitalistischer Ausbeutung geprägt. Manchen von denen, die da gegen die Maßnahmen demonstrieren, kann es gar nicht genug an antisemitischen Verschwörungen oder Sozialchauvinismus sein. Wir sehen dagegen die Probleme, mit denen wir in der Arbeit konfrontiert sind, als Fortführung der alten Normalität. Es ist nur eine Fortführung in verschärfter Form. Die Elendsverwaltung in den Massenquartieren, die Unterbesetzung und Burn-Out-Gefahr in der Sozialen Arbeit sind keine Neuheiten seit Corona. 

Für uns ist klar: Wir sind gegen die momentanen, autoritären  Maßnahmen der Regierung, die wiedermal in erster Linie das Kapital schützen, während andere Menschen weitgehend schutzlos gelassen werden. Wir wollen aber auch nicht zurück in die alte rassistische, klassistische Normalität, von denen die Schwurbler*innen träumen. Stattdessen kämpfen wir für eine neue Welt, eine Welt der Solidarität, des Respekts und der Würde für alle Menschen!«