Am 09.10.2020 organisierte der Kommunistische Student*innenverband KSV-Lili eine Demo vor der Universität Wien und dem Parlament, um gegen die Verschlechterung der Lebens- und Arbeitsbedingungen von Studierenden im Zuge der Coronamaßnahmen zu protestieren. Sie fordern die soziale Absicherung für Studierende und allen prekär Arbeitenden. Wir haben uns ebenfalls mit einem Redebeitrag beteiligt, den wir hier veröffentlichen.
»Die Initiative Sommerpaket ist ein Zusammenschluss aus Basismitarbeiter*innen der Wohnungslosenhilfe Wien. Wir haben uns zusammengeschlossen, um Missstände in der Wohnungslosenhilfe öffentlich zu thematisieren, die uns und die Nutzer*innen der Angebote tagtäglich betreffen.
Wir beziehen uns positiv auf die studentische Bewegung, nicht nur weil einige von uns selbst Studierende sind, sondern auch weil das Winterpaket eine sozialpolitische Errungenschaft ist, die vor 10 Jahren aus den Uni-Brennt-Protesten und der Audimax-Besetzung heraus erkämpft worden ist. Erst mit diesen Protesten sah die Stadtregierung sich, unter dem politischen Druck und der medialen Öffentlichkeit, gezwungen, Maßnahmen zu ergreifen und Unterkünfte für obdachlose EU-Bürger*innen zur Verfügung zu stellen. Seit dem gibt es das Winterpaket, das sukzessive ausgebaut wurde. Und wofür wir immer noch kämpfen müssen, um dringend nötige Verbesserungen zu erreichen.
Wir sind weit davon entfernt zu sagen, dass obdachlosen Personen ein menschenwürdiges Leben ermöglicht wird. Ganz im Gegenteil, arbeiten wir nach wie vor mit von der Gesellschaft ausgegrenzten Menschen. Sie haben oft keinen Anspruch auf eine reguläre Gesundheitsversorgung. Ihnen bleibt der Zugang zum geregelten Arbeits- und Wohnungsmarkt großteils verwehrt. Sie werden ökonomisch ausgebeutet und viele sind sogar vom letzten Sozialen Netz ausgeschlossen.
Wir fordern nicht nur eine bedingungslose und menschenwürdige Unterbringung für alle obdachlosen Menschen – also eine Wohnungslosenhilfe, die nicht an Aufenthaltstitel und Sozialansprüche gekoppelt ist – sondern, wir fordern auch die Verbesserung unserer eigenen Arbeitsbedingungen. Diejenigen von uns, die im Winterpaket arbeiten, sind prekär Angestellte. Jeden Winter werden wir aufs Neue für 6 Monate befristet beschäftigt. Hinzu kommt die schlecht entlohnte Schichtarbeit. Wir sind einem hohen Burnout-Risiko ausgesetzt und jetzt, mit Corona, von einem Mangel an Schutzausrüstung und höchst intransparenten und chaotischen Maßnahmen betroffen. Ebenso sind wir, so wie unsere Klient*innen, einer höheren Ansteckunggefahr ausgesetzt. Für viele ist es dennoch notwendig diesen Job zu machen, denn viele von uns müssen nebenbei studieren, brauchen einen Zweit- oder Drittjob, und haben Betreuungspflichten in der Familie zu übernehmen. Doch genau diese flexibilisierten Anstellungsverhältnisse prekarisieren unsere Lebensweise und machen uns leicht ausbeutbar.
Dagegen wehren wir uns! Die zunehmende neoliberale Umgestaltung unserer Gesellschaft bedeutet das Ausdünnen des Sozialsystems hin zu einer ökonomisch effizienteren Versorgung, die sich noch weniger als bisher an den Bedürfnissen der Bevölkerung orientiert. Genauso wie die Flexibilisierung des Wohn- und Arbeitsmarktes es für viele schwerer macht, die Miete zu zahlen während sie zunehmend weniger verdienen! Wir fordern die absolute Grundsicherung jedes Menschenlebens! Sowohl für unsere Klient*innen als auch für uns!
Als eine politische Beschäftigten-Initiative, sind wir der Meinung, dass die Selbstorganisierung einer der zentralen Grundpfeiler einer demokratischen Gesellschaft ist. Allzuoft werden wir in allen Bereichen des Lebens fremdbestimmt und finden uns darin wieder, uns zwischen Sachzwängen zu manövrieren, statt ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Wenn wir von einer freien Gesellschaft sprechen, dann müssen wir uns darüber im Klaren sein, wo wir hin wollen und was uns gerade davon abhält, diesen Weg zu gehen.
Bei all unseren Forderungen nach Verbesserungen des Systems, die sich an diesen Staat und seine Institutionen richten, sollten wir nicht vergessen, dass es darum geht, all die Verhältnisse zu beseitigen, die repressiv sind, Menschen exkludieren und uns abhängig machen. Dazu gehört die Abschaffung der Obdachlosigkeit und mit ihr der gesamten Elendsverwaltung. Und auch wenn wir Lohnabhängige dieses Systems sind, sollte uns diese Abhängigkeit und die Angst vor einem Jobverlust nicht davon abhalten, lautstark und sichtbar am Diskurs teilzuhaben, immer wieder auf die unfassbaren Mängel und Ausschlüsse hinzuweisen und genau dieses System zu bekämpfen!«