Mit dem Wegfall von rund 1000 Schlafplätzen für wohnungslose Menschen in Wien hat sich die Initiative Sommerpaket gebildet. Wir fordern eine Öffnung der Notschlafstellen auch im Sommer. Warum ist uns das so wichtig? Sind Notschlafstellen nicht menschenunwürdig und lediglich ein Instrument zur Elendsverwaltung? Im folgenden Text wollen wir aufzeigen, warum die Notwendigkeit von Notschlafstellen unter den derzeitigen gesellschaftlichen Verhältnissen bestehen bleibt.
Der Wiener Wohnungslosenbereich befindet sich in einer Phase der Veränderung. Längerfristig sollen Notschlafstellen von Einrichtungen abgelöst werden, die Schritt für Schritt eine Besserung der Lebenssituation der Betroffenen erreichen wollen. Darum gibt es auch ein größer werdendes Angebot an Chancenhäusern – Einrichtungen, die für eine begrenzte Zeit genutzt werden können, um wieder „auf die Beine zu kommen“. Das kann durch Vermittlung in andere Einrichtungen, Beratungen, Unterstützung bei der Suche nach Wohnplätzen am Mietmarkt usw. durchaus auch gelingen und ist aus unserer Sicht begrüßenswert.
Durch unsere Arbeit in Notschlafstellen und Wärmestuben sind wir jedoch häufig mit der Situation konfrontiert, dass Klient*innen den „Einstieg“ in diesen Teil der Wohnungslosenhilfe nicht schaffen. Das kann verschiedene Gründe haben: Fehlende Anspruchsberechtigung („falscher Pass“), keine freien Plätze, und vielfach auch die Schwierigkeit, mit enger strukturierten Einrichtungen und deren Anforderungen zurechtzukommen. Menschen in akuten Ausnahmesituationen, die oft direkt von der Straße kommen, erhalten durch die Notschlafstellen eine Möglichkeit der Stabilisierung. Ein direkter Einstieg in höherschwellige Bereiche der Wohnungslosenhilfe ist für sie oft schwierig, da diese Plätze für Personen in stabileren Ausgangslagen vorgesehen sind, bei denen es mehr Möglichkeiten gibt, gemeinsam eine Perspektive zu entwickeln.
Dieses Zusammenspiel aus niederschwelligem und hochschwelligem Bereich muss es auch zukünftig geben: Der niederschwellige Bereich soll möglichst vielen Menschen einen einfachen Einstieg ermöglichen und eine Stabilisierung erreichen – der höherschwellige Bereich versucht mit den Klient*innen gemeinsam eine Perspektive zu planen und auch zu verfolgen.
Wir sind uns bewusst darüber, dass es sich bei den Notschlafstellen um ein Provisorium handelt. Doch derzeit sind Menschen auf dieses Provisorium angewiesen, auch im Sommer. Viele der Klient*innen, die im Winter in unseren Einrichtungen gewohnt haben, sehen wir jetzt wieder auf der Straße, in Parks und Unterführungen schlafen. Viele Einrichtungen bleiben über den Sommer schlichtweg leer und ungenutzt. Besonders sogenannte nicht-anspruchsberechtigte Wohnungslose haben im Sommer meist keine andere Wahl, als auf der Straße zu schlafen, was zu einer massiven Verschlechterung der Lebenssituation und der Gesundheit führt. Obdachlosigkeit kann traumatisieren und psychische Erkrankungen fördern – Suchterkrankungen spitzen sich zu, obdachlose Menschen sind mit einem erhöhten Ausmaß an Gewalt konfrontiert.
Um diesen Notlagen etwas entgegenzusetzen braucht es auch im Sommer niederschwellige Schlafplätze. Auch für Menschen, die aufgrund eines „falschen Passes“ keinen Zugang zu vielen Einrichtungen haben, und auch für Menschen, die durch ihre Lebenssituation Schwierigkeiten haben, in Chancenhäusern unterzukommen.
Daher fordern wir die ganzjährige Öffnung von Notschlafstellen – niemand soll auf der Straße schlafen müssen!