Ein 1. Mai wie damals: Solidarische Tour durch Einrichtungen der WLH

Der 1. Mai dieses Jahr stand unter besonderen Vorzeichen. Durch die Ausgangsbeschränkungen war eine “normale” Kundgebung nicht zu planen. Da es aber gerade in unserem Bereich, dem Sozialbereich im Allgemeinen und der Wohnungslosenhilfe im Speziellen, so viele offene Baustellen gibt, wollten und konnten wir ihn nicht ausfallen lassen. Wir haben uns deswegen an

eine Tradition der Arbeiter*innenbewegung erinnert. Gab es vor ca. 100 Jahren Stress in einer Fabrik, machten sich Arbeiter*innen zu Fuß auf, um so gemeinsam mit Arbeiter*innen der nächsten Fabrik kämpfen und streiken zu können.

Im Moment gibt es zwar keine Streiks, aber der Betrieb muss auch am Tag der Arbeit am Laufen gehalten werden. Wir haben deswegen eine Fahrradtour durch die Einrichtungen der Wiener Wohnungslosenhilfe gemacht, um unsere arbeitenden Kolleg*innen zu besuchen und ihnen unsere Solidarität zu zeigen. Wir haben Flyer mit unseren Forderungen verteilt, den ihr euch hier runterladen könnt: 1.Mai20- Flyer.
An dieser Stelle wollen wir uns bei allen Kolleg*innen, die wir kennenlernen durften und sich für uns die Zeit genommen haben, bedanken!
 
Insgesamt haben wir auf unseren zwei Touren 12 Einrichtungen der Wiener Wohnungslosenhilfe besucht. Dabei sind wir auch beim Rathaus und an der gpa-djp Zentrale vorbeigekommen, was wir für einen kurzen Photostopp nutzten. So konnten wir unsere Forderungen zumindest symbolisch an die richtige Adresse schicken.
In den Gesprächen mit unseren Kolleg*innen wurden immer wieder ähnliche Problemfelder angesprochen. Unsere Forderungen trafen auf viel Resonanz. Es gab jedoch verschieden Sichtweisen und Vorschläge, diese zu lösen. So ergaben sich schnell spannende Diskussionen.
 
Nach wie vor erhitzt der SWÖ KV-Abschluss und das Vorgehen der Gewerkschaft die Gemüter. Wir konnten interessante Gespräche über mögliche Strategien führen: In der Gewerkschaft bleiben oder austreten? Eine Opposition innerhalb aufbauen, oder sich außerhalb dessen organisieren? Auch wenn sich kein abschließendes Ergebnis der Diskussionen festhalten lässt, ist klar, die Wut ist nach wie vor groß!
 
Unsere Arbeitssicherheit war ebenso Thema. Kolleg*innen berichteten, dass sie sich überhaupt nicht geschützt fühlen und ihr Recht auf Schutz nicht ernstgenommen werde. Die Doppelmoral wird anhand der medialen Selbstdarstellung der Arbeitgeber deutlich. Während sie sich für ihren Einsatz in der Krise feiern lassen, zeigen die Berichte von Basismitarbeiter*innen gravierende Missstände auf. 
 
Weitere Themen, die immer wieder angesprochen wurden, waren der mangelnde Informationsfluss, die gestiegene Arbeitsbelastung, Unterbesetzungen sowie Unsicherheiten bezüglich der Arbeitsverträge. Auch von den erschwerten Rahmenbedingungen war wiederholt die Rede.
 
Es wurde auch Kritik an unserer Initiative geäußert. Würde die Forderung nach ganzjährigen Notquartieren nicht Obdachlosigkeit verfestigen? – Dazu haben wir uns bereits vergangenes Jahr geäußert und wollen nochmals klarstellen: wir sehen in Notquartieren keine Lösung des Problems! Notquartiere stellen lediglich Elendsverwaltung, ohne Anspruch darauf Menschen aus dem gesellschaftlich produzierten Problem der Obdachlosigkeit zu verhelfen, dar.
Hinzu kommt, dass die Bedingungen in Notquartieren sehr problematisch und teilweise sogar menschenunwürdig sind. Trotzdem sehen wir die derzeitige Entwicklung, Notquartiere in Wien abzubauen, kritisch. Denn soweit uns bekannt ist, wird kaum Ersatz angeboten und das führt dazu, dass Menschen mangels Alternativen, auf der Straße schlafen müssen. In unserem Offenen Brief 2019 haben wir die Problematik folgendermaßen ausgedrückt:
“Solange Menschen jedoch in „anspruchsberechtigt“ [“perspektivenreich”] und „nicht-anspruchsberechtigt“ [“perspektivenlos”] eingeteilt werden, müssen wir die Forderung nach niederschwelligen Sommernotquartieren stellen!”
 
Ein weiterer Kritikpunkt war, dass wir bisher immer als Initiative Sommerpaket auftreten und es keine namentlich bekannte Sprecher*innen gibt. Wir können nachvollziehen, dass es für viele Basismitarbeiter*innen wichtig ist zu wissen, mit wem sie zu tun haben, vor allem wenn wir Forderungen als Basismitarbeiter*innen formulieren. Wir haben in den letzten beiden Jahren die Erfahrung gemacht, dass unser Engagement durchaus mit beruflichen Risiken verbunden ist, weswegen wir bisher davon Abstand genommen haben konkrete Personen zu exponieren. Wir verstehen uns außerdem als politische Basisinitiative und nicht als offizielle Vertreter*innen. Wir sprechen für uns und nicht für andere. Wir haben auch innerhalb unserer Initiative keine starres Programm sondern stehen in dauernder Diskussion. Wir können daher auch nicht eine konkrete Person haben die für uns alle spricht!
Anonym sind wir aber trotzdem nicht, unsere Treffen sind offen für alle Basismitarbeiter*innen und die Termine werden über unsere Mailliste verschickt. 
 
Wir laden alle Kolleg*innen dazu ein, sich zu organisieren – sehr gerne mit uns gemeinsam! Sprecht in Euren Teams konsequent Probleme in der Arbeit an. Wichtig: erstellt einen gemeinsamen Kommunikationskanal, in dem alle drinnen sind. Denn wir müssen gemeinsame Diskussionen führen und uns geneseitig informieren, um daraus Handlungsmacht entwickeln zu können. Etabliert eine solidarische Basiskultur, indem ihr als Kolleg*innen zusammenhaltet und euch unterstützt. Wir als Initiative sind eine Plattform in der Basismitarbeiter*innen aus verschiedenen Einrichtungen zusammenkommen. Über unseren Austausch wollen wir eine kollektive politische Handlungsmacht aufbauen und im medialen Diskurs als Gegenkorrektiv zu den gängigen und unkritischen Selbstdarstellungen der Institutionen der WWlH fungieren.
Deswegen nochmal die Einladung an alle Kolleg*innen: organisiert euch mit uns, kommt zu unseren regelmäßigen Treffen montags nachmittag!
Für weitere Infos schreibt uns: sommerpaket@riseup.net